Stellungnahme des VBE NRW zum Antrag der Fraktion der SPD Schulpolitische Halbzeitbilanz
Anhörung des Ausschusses für Schule und Bildung am 19.08.20
Wir alle sind dafür verantwortlich, was wir tun und was wir nicht tun. Als Vertretung der Praxis müssen wir darauf hinweisen, dass sich ein Erfolg im Schulbereich grundsätzlich aber keinesfalls an der Menge der Neuerungen pro Legislaturperiode messen lässt.
Erfolg im Schulbereich misst sich danach, Entscheidungen zu treffen, die langfristig positiv wirken und sowohl die Schülerinnen und Schüler als auch das gesamte Personal der Schulen im Blick haben.
Parteipolitische Leitlinien sollten hier nicht im Vordergrund stehen. Ein Austausch zwischen Personen aus der Praxis und politischen Vertretungen ist deshalb grundsätzlich zu begrüßen.
Ein parteipolitischer und emotionaler Streitpunkt ist zum Beispiel die Rolle der Förderschule. Gelingende Inklusion und die angemessene personelle Ausstattung der Förderschulen dürfen nicht im Widerspruch stehen. Individuelle Förderung und Wahlfreiheit sind wichtig, auch und gerade im Sinne der Kinder. Beides durch nötige finanzielle Ressourcen zu ermöglichen und Inklusion sowie Förderschulen nicht gegeneinander auszuspie-len, muss Aufgabe der Politik sein. Die Entscheidung der Landesregierung, die Wahlfreiheit zu erhalten, ist deshalb grundsätzlich zu begrüßen, über die Ausgestaltung ist aber nach wie vor trefflich zu streiten. Nicht nur in dieser Frage sind der allgemeine Lehrkräftemangel sowie der Lehrkräftemangel im Bereich der Sonderpädagogik ein großer Stolperstein für eine gelingende Ausgestaltung.
Angemessene Bildungsbedingungen dürfen nicht Gegenstand eines Wettbewerbs sein. Der Gebrauch des Wortes Chancengleichheit in dem Zusammenhang ist auch völlig fehl am Platz. Zeitgemäß und angemessen ausgestattet müssen alle über 5.000 Schulen in Nordrhein-Westfalen sein, denn sie sind alle Orte, die Talente ausbilden und fördern – also Talentschulen.
Es ist zwar schade, dass erst eine Pandemie der Politik zeigen musste, wie relevant eine gute digitale Ausstattung im Schulalltag ist und nicht schon vorher auf die Stimmen aus der Praxis gehört wurde, aber Nordrhein-Westfalen ist hier ein gutes Stück weitergekommen. Entscheidend ist allerdings, wirklich alle Schülerinnen und Schüler mitzunehmen.
Unabhängig von parteipolitischen Leitlinien, wäre es wünschenswert, auf Überschneidungen zu schauen, die immer wieder von der Praxis eingefordert werden und sogar parteiübergreifend erkannt werden. Eine solche Herausforderung ist der Lehrkräftemangel.
Eine solche Einigkeit und eine ebensolche Kraftanstrengung braucht Nordrhein-Westfalen, um den Personalmangel in den Schulen anzugehen. Wenn zum Zeitpunkt der Anhörung hoffentlich endlich der Masterplan Grundschule zumindest vorgestellt ist, darf deshalb nicht untergehen, dass die Sek I und der Bereich der Förderschulen ebenfalls stark an Personalmangel leiden.
Seit der Reform des Lehrerausbildungsgesetzes im Jahr 2009 müsste gleicher Lohn für die gleichwertige Arbeit erfolgen. Ob Rot-Grün oder Schwarz-Gelb: Vollmundige Versprechen wurden gemacht, aber besoldungsrechtliche Konsequenzen bleiben bislang aus.
Der Mangel an Lehrkräften ist die größte Baustelle der Schulpolitik. Alle Herausforderungen, etwa die Inklusion oder die Integration, können nur mit ausreichend originär ausgebildeten Lehrkräften erfolgreich angepackt werden.
Immer wieder liefert die Politik selbst neue Argumente für A13/EG13 für alle Lehrkräfte, obwohl die rechtliche Perspektive eigentlich reichen müsste. Die Personalprognose des Schulministeriums etwa belegt in Zahlen, wie entscheidend diese Ungerechtigkeit ursächlich für den Lehrkräftemangel ist – so zeigen die Daten doch einen Überhang an Gy-Ge-Lehrkräften (A13!) und einen gravierenden Mangel an Lehrkräften für die Sek I (A12) und für die Grundschule (A12).
Besonders heikel ist die in der 24. Schulmail angedachte Maßnahme des Einsatzes von Gy-Ge-Lehrkräften in der Sek I und in der Grundschule, denn sie selbst werden nach A13 besoldet und müssen von A12-Lehrkräften eingearbeitet werden. Sollte dies ohne gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit erfolgen, wird dies für spürbaren Unfrieden sorgen.
Der Seiteneinstieg ohne Vorqualifizierung ist keine Lösung, die den eigenen Anspruch nach weltbester Bildung oder einem Land des Aufstiegs durch Bildung auch nur annähernd gerecht wird, sondern in gegengesetzte Richtung läuft. Gerade Seiteneinsteiger müssen das Recht haben, eine grundlegende Vorqualifizierung zu erhalten. Das schuldet das Land den bereitwilligen und motivierten Kolleginnen und Kollegen und nicht zuletzt auch den Schülerinnen und Schülern.
Statt neue Schulfächer oder neue Leuchtturmprojekte auf den Weg zu bringen, sind alle Parteien gefordert, den Personalmangel zu beheben.
Es braucht einen Konsens über Herausforderungen, die priorisiert werden sollten. Dazu gehören der Personalmangel sowie die Lehreraus- und Fortbildung, aber auch Ruhe und Zeit für die Schulen, damit sie sich auf ihre Kernarbeit fokussieren können.
Ein konstruktiver und kritischer Austausch kann sicherlich dazu beitragen.
Stefan Behlau
Vorsitzender
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